Wegbereiter der Präventiven Medizin des 21. Jahrhunderts in Deutschland

Carl Korth war ordentlicher Professor für Innere Medizin und Kardiologie und von 1947 bis 1972 Direktor der Medizinischen Poliklinik Erlangen. Er forderte bereits 1954 eine arbeits- und sportmedizinische Betreuung der Bevölkerung. Durch eine präklinische Medizin sollte die klinische Behandlung möglichst weit hinausgeschoben werden. Ziel war die umfassende Unterstützung zur Krankheitsvorbeugung.

Josef Schmidt über Carl Korth

(aus Archiv für Kreislaufforschung, Festschrift für Carl Korth)

Keiner kannte Carl Korth so gut, keiner verstand ihn so korrekt und keiner hat seine Lehre so konsequent vertreten und praktiziert wie Josef Schmidt, Schüler und über lange Zeit Wegbegleiter von Carl Korth.
Professor Josef Schmidt, langjähriger Oberarzt an der Medizinischen Universitätspoliklinik in Erlangen und zuletzt Ordinarius für Sportmedizin an der Universität Münster, hat eine Sonderausgabe des Archivs für Kreislaufforschung, die Korth zum 65. Geburtstag gewidmet war, mit einer Laudatio eingeleitet. Sie scheint besonders gut geeignet, den klinischen Lehrer Carl Korth zu skizzieren.

Korth ist in Düsseldorf geboren; er war zwei Jahre am Medical Center in Boston, bevor er an die 1. Medizinische Klinik der Charité nach Berlin kam; 1936 hat er sich bei Siebeck habilitiert. 1946 wurde Korth nach Erlangen berufen. Hier ist er ein klinischer Lehrer von ungewöhnlicher Prägekraft, der das Detail wie die Synopsis seines Fachs kennt und immer in den Zusammenhängen „von dem Ganzen des Wissens“ sieht und zu vermitteln weiß, ein Universitätsprofessor mit der unaufgebbaren Fähigkeit, ärztliche Bildung zu erwecken. Ärzte und Studenten kennen Korth als den Autor der „Klinischen Elektrokardiographie“, des ersten elektrokardiographischen Lehrbuchs mit diesem Titel; das Buch zeigt beispielhaft, wie eine Untersuchungsmethode in der Hand des Klinikers zu jener Lebendigkeit erwachen kann, die ärztliches Handeln zu tragen vermag. Derart aber wandelt sich jede Untersuchungsmethode die Korth in die Hand nimmt, seien es auch so widerstrebende Verfahren wie die Röntgenschirmbilduntersuchung oder die intrakardiale Elektro- und Phonokardiographie, Korth ist die zahlreichen Irrwege der Elektrokardiographie nicht mitgegangen. Abhold jedem diagnostischen Schlagwort, wie es sich leicht einstellt, wenn der Blick auf die Methode hin eingeengt wird und in steter kritischer Zurückhaltung gegenüber „Deutungen“ gilt ihm die klinische Beobachtung als Richtmaß. Seine Arbeiten über die Herzrhythmusstörungen, über die Wirkung der Digitalis, wie der Hyperthyreose auf das Herz, vor allem sein ständiges Bemühen um die Verlaufsbeobachtung haben entscheidend dazu beigetragen, die Möglichkeiten des Verfahrens auszuschöpfen und seine Grenzen abzustecken. Die Erforschung und systematische Darstellung der Lageanomalien des Herzens waren gleichzeitig die Wende zu einer grundsätzlichen Synopsis von Elektrokardiogramm und Röntgenbild bei der Beurteilung des Herzens. Mit der hämodynamischen Betrachtungsweise hat Korth die klinische Elektrokardiographie wie der zu jenem hohen Rang geführt, der ihr auch angesichts der modernen kardiologischen Untersuchungsmethoden gebührt und sie in ihrem Lichte erst recht unentbehrlich macht. Korth hat die entscheidende Pionierarbeit für eine klinische Elektrokardiographie geleistet. Für die klare und überschaubare, nicht von Eintagsmeinungen verstellte und niemals „propagierte“ klinische Lehre sind ihm seine Schüler besonders dankbar. Doch es gibt keine eigentlich Korthsche „Schule“. Das liegt nicht allein an der unverkennbaren Wende in der Entwicklung der klinischen Medizin, sondern zumal an dem Menschen, der sie begreift. Vorüber ist die Zeit der „Schulen“ und der „Systeme“ und ihres anspruchsvollen Sichbehauptenwollens, abgelöst von einem lebendigen Aufbruch im Gefüge der klassischen, den Krankheiten und dem Kranken zugewandten Medizin. Die Bewegung in der Medizin, die Siebeck als eine Hinwendung zur Lebens- und Leidensgeschichte des Menschen, als eine „biographische Medizin“ verstanden und gelehrt hatte, geht längst schon über den Einzelnen hinaus. Korth sieht diese Dynamik weitergreifen in die Gesellschaft, in eine Entwicklung zur sozialen Medizin und zu einer Medizin des Gesunden; auch der „sozialen Matrix“ des Erkrankten und auch des Gesunden solle sich der Arzt annehmen, er müsse untersuchen und verstehen lernen, wie Gesundheit unter den modernen Lebensbedingungen bewahrt werden könne. Nicht von ungefähr hat daher die Korthsche Poliklinik eine Betriebsärztliche Untersuchungsstelle und eine Sportmedizinische Abteilung. Korth kennt den Arzt in der gewandelten Welt und seine Sorgen und hat, zumal im Hinblick auf ihn und auf die Krise in der ärztlichen Ausbildung, jüngst den Plan für eine neue Poliklinik vorgelegt. Korth ist ein Arzt und Professor, der sich selbst, seinem Beruf und seinem Amt immer wieder kritisch gegenüber zu stehen vermag, dem jede Überhöhung fremd ist und der etwas gegen ernst gemeinte Dekors hat. Es gibt nur Weniges, das er nicht belächeln könnte; die enthüllende Ironie und den zudeckenden Scherz hat er gleichermaßen bereit. Er ist ein Meister der Sprache. In makellosem Stil und in luzider Diktion umgreift sein Wort heilsam nüchtern den Gedanken, bringt aber das Eigentliche am liebsten in der Dialektik einer geschliffenen Polemik hervor. Korth hat im In- und Ausland viele Schüler und Freunde. Sie alle haben von seiner scharfen klinischen Beobachtung gelernt und gleichzeitig erfahren, wie vor allem die Idee entscheidend weiterzubringen vermag. Korth hat unzählige Anregungen gegeben, doch es ist seine Art, sie von anderen entfalten zu lassen. In mäeutischer Weise fordert er die Fähigkeiten des Einzelnen heraus, weiß aber stets die Excellentia eines jeden zu achten und zu bedenken. Er hat die ungetrübte Sicht für das Notwendige und jene Souveränität, die es sich leisten kann, einem kollegialen System in der Medizin das Wort zu reden. Dieser Professor mit Noblesse in Newmanschem Geiste sieht nüchtern und mit prophetischem Charisma, was an der Zeit ist, und er stellt sich ihr. So sehen und verstehen ihn seine Assistenten.

J. Schmidt (Erlangen)
Festschrift für CarI Korth
Archiv für Kreislaufforschung
Band 55 und 56 (1968)

Carl Korth

Essenziell

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